In der Zeitschrift »Kultur-Austausch«, die vom Institut für Auslandsbeziehungen herausgegeben wird, steht in der Ausgabe 1/02 der folgende Artikel…
Reformen und Reaktionen
von Christian Szyska
Neben fundamentalistischen Strömungen gab und gibt es in der islamischen Welt eine Reihe von Denkern, die ein liberales Konzept vertreten und einer Versöhnung mit dem Westen das Wort reden. Werden sich ihre Ideen durchsetzen und die Grundlage für eine eventuelle Reform des Islam bilden?
International zunehmende Bedeutung besitzt die in der Türkei entstandene Bewegung »Nurcu Cemaati« (auch als »Nurculuk« oder »Jama’at-un-Nur« bekannt). Der 1960 verstorbene geistige Führer Said Nursi lobt in seinen Schriften die wissenschaftlichen und zivilisatorischen Leistungen der Moderne. Er entwirft eine nüchterne Form der Religionsausübung, in der er Elemente aus Schriftislam und Mystik zusammenkommen. Die Entscheidung, Muslim zu sein, sei, so Nursi, ein individueller Entschluss, der auf rationaler Grundlage getroffenen werde. Politischen Aktivismus lehnt Said Nursi strikt ab. Sein umfangreiches Schrifttum entfaltet neben zahlreichen Diskussionen zum Propheten Mohammad und dem Jenseits eine ausgesprochene Arbeitsethik. Tätigkeit sei eine Tugend und gottgewollt. Was Fragen der Wirtschaft, Gesellschaft und Erziehung angeht, so vertritt er einen pluralistischen Ansatz, der den ganzheitlichen Tendenzen fundamentalistischen Bewegungen entgegensteht.
Ein Bewunderer von Said Nursis Schriften ist der angesehene syrische Theologe und Fernsehprediger Said Ramadan al-Buti. Er verfolgt einen Weg zwischen staatlicher Islampolitik und fundamentalistischen Ideologien. er lehnt den Fanatismus ab und mit ihm auch den Dschihad als ein Mittel der Gewalt, um die Gesellschaft zu verändern und den Unglauben zu bekämpfen.