Prof. Dr. Paul Schwarzenau

Meine Gedanken – Gedanken eines Christen – zum Qur’an beruhen auf einem sehr persönlichen Qur’anerlebnis, von dem ich zu Beginn wenigstens andeutungsweise reden möchte. Ich befand mich körperlich und seelisch in einem Zustand der Krise; angesichts einer nahenden Krankheit war ich körperlich ganz leicht und seelisch wie mir selbst entnommen. Dazu kam persönlicher Schmerz. In dieser Zeit kam mir der Gedanke, den Qur’an zu lesen. Ich hatte mich früher schon öfter darin versucht, den Qur’an im Zusammenhang zu erfassen, doch hatte ich mehr den Eindruck, einer ungeordneten Masse von Sentenzen, Bildern und Erzählungen gegenüberzutreten. Dann erlebte ich mich auf einmal durch den Qur´an wie ganz vom Sprechen Gottes umgriffen. Ich erlebte den Qur´an als die Sprachwerdung Gottes. Gott umfasst alles Geschehen. Gott öffnet dem Menschen die Brust, und die Verse Gottes dringen als seine Zeichen in den Menschen ein.
So erlebte ich es damals. Damals hätte mich die Bibel nicht trösten können, deren episch-abständiger Ton mich nicht erreicht hätte. Ich erlebte den Qur´an wie eine Bibel hoch zwei, eine Bibel der zweiten Potenz, und das Bild vom von innen durchleuchteten, unendlich facettierten, übergroßen Juwel tauchte in mir auf, als ich den Qur´an in meiner »Qur’ankunde für Christen« beschrieben habe. Mein Qur´anerlebnis ist die Geburtstunde für dieses mein Buch geworden. Es war für mich kein Zweifel mehr, im Qur´an dem Worte Gottes zu begegnen.

Ich erfuhr den Qur´an als aktualisierten Monotheismus.

Gott umgreift alles. Der Qur’an ist, genauer, reaktualisierter Monotheismus.

Islam und Qur’an betonen gegenüber dem jeweils heils- und religionsgeschichtlich Neuen das Bleibende und Selbe, »die Religion in den Religionen«, um einen Ausdruck von Ulrich Mann zu gebrauchen. Dabei ist der religionsökumenische Aspekt des Qur´ans unüberhörbar: die getrennten Brüder werden zum Gespräch gerufen.

Wir werden durch den Qur´an aufgerufen zum Bekenntnis, zum Dialog und zur Erweiterung des Offenbarungsverständnisses. Offenbarungsurkunden sind alle heiligen Bücher der Buchbesitzer, nicht nur die Bücher der Bibel.

Sure 33, 44 heißt es:

»Mohammed ist Gottes Gesandter und das Siegel der Propheten.«

In diesem Ausdruck »Siegel« liegt zugleich Abschluss und Bestätigung.

Jesus sagt also ausdrücklich, dass nach ihm ein zweiter Gesandter kommen werde, der in die ganze Wahrheit hineinfahren wird. Dieser trägt den Namen: Paraklet. (Joh. 16, 7.13) . Der Name Ahmed im Qur´an gilt als Hinweis auf Mohammed als Parakleten.

Die Umma, die von Mohammed gegründete islamische Gemeinde, ist weder eine Staats- noch eine Kirschengründung. Sie ist din wa daula, Einheit von geistlichem und weltlichem Reich, und nimmt darin die Reichsgottespredigt Jesu auf. Sie meint letztlich einen universalen Islam, der allen offenbarten Religionen zugrunde liegt. Dieser universale Islam ist das Bleibende, in dessen Namen Jesus als der eschatologische Mensch vor die Menschheit tritt.

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