بِسْمِ اللَّهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ

وَبِهِ نَسْـتَعِينُ

»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.« »und mit Seiner Hilfe«

Vorwort

Dieses Vorwort wurde von einem bedeutenden islamischen Gelehrten aus Medina geschrieben.

In dem Vorwort, das ich über den großen Iqbal geschrieben habe, sagte ich: »Wenn man die Biographie der Großen der Menschheit liest, oder die Sagen und Legenden der Helden und Heiligen erzählt, sich ihr teures Andenken ins Gedächtnis ruft, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Das Herz wird von der erhabenen Flamme einer ganz reinen Liebe entzündet und von Gottes Segen umhüllt. Die Geschichte weist Menschen von einer solchen Größe auf, dass im Vergleich mit ihnen viele Große klein erscheinen.«

Bei der Erwählung von Menschen, die einen Ehrenplatz in der Geschichte haben,

Erhebt sich der Geist von der Erde in weiteste Welten…

Aus den Tiefen umhüllt die Seele ein Segen wie von tausend Wohlgerüchen,

Als sei sie durch die Rosengärten des Paradieses hindurchgegangen.

Als ich dieses Vorwort schrieb, fand ich mich von dieser tiefen Wahrheit mit all ihrer Gewalt und Majestät ergriffen. Denn dieses Werk, welches wir unserem verehrten Leser in tiefster Aufrichtigkeit ans Herz legen, berichtet von Bediüzzaman Said Nursi, dem großen Ustadh (Meister), dem Eroberer der Herzen, in dessen nahezu hundert Jahre währendem Leben sich zu jeder Zeitspanne Tausende von Wundern zeigten, sowie von seinem Gesamtwerk, der Risale-i Nur (Botschaft vom Licht), die aus 130 Einzelwerken besteht und schließlich von den »Nur«-Schüler (Nur; Licht), die durch ihren Charakter, ihre Tugenden, ihre Aufrichtigkeit, ihre Innigkeit, ihren Glauben und ihre Erkenntnis zu jeder Zeitspanne ihres Lebens nicht nur für ein einzelnes Land, sondern für die Menschen der ganzen Welt auch weiterhin ein untadeliges Beispiel geben.

Man sagt, dass dieses Vorwort eine kurze Zusammenfassung des ganzen Buches sei. Aber ist es denn möglich, den Inhalt dieses gewaltigen Buches, in dem jedes Thema so tief und weit gefasst ist, dass man ein eigenes Buch dafür benötigte, in wenigen Seiten zusammenzufassen?

Bis heute habe ich mich angesichts dessen, was meine Wenigkeit in Gedichtform oder Prosa niedergeschrieben hat, noch nie so hilflos und unschlüssig gefühlt. Infolgedessen werden diejenigen, welche dieses Buch mit tiefer Liebe, mit göttlicher Freude und glühender Begeisterung lesen mit Erstaunen feststellen, dass Bediüzzaman ein Gelehrter völlig anderer Art und eine führende Persönlichkeit gewesen ist, die schon seit seiner Kindheit in einer ganz ungewöhnlichen Weise herangewachsen ist und durch die Erscheinung der Namen Gottes ein Leben lang begnadet worden ist.

Nachdem ich diese Persönlichkeit, ihre Werke, ihre Schüler bis in die feinsten Feinheiten hinein untersucht hatte und seine lichte Welt mit meinen Gefühlen, Gedanken, ja meiner Seele in mich aufgenommen hatte, begriff ich, welche profunde Wahrheit in diesem Verse eines großen Dichters der alten Araber enthalten ist, wenn er sagt: »Es ist für Gott, den Gerechten, ein Leichtes diese ganze Welt in einer einzigen Person zu konzentrieren…«

Die Zahl derer, die in den Anziehungsbereich dieses Zentrums des Geistes (Qutub) gelangen, der von seinem erhabenen Ziel, seiner königlichen Berufung, der gewaltigen Größe seines Glaubens her Segen und Inspiration empfing, wächst von Tag zu Tag.

Dieses erhabene Geschehnis, das den Verstand in Erstaunen versetzt, pflanzt sich fort in den Ungläubigen, indem es sie quält und bei den Gläubigen, indem es sie erfreut und beglückt.

Sehen Sie bitte, was ein bedeutender Mudjahid über dieses göttliche Geschehnis schreibt, das in den Herzen der Gläubigen fortlebt, so dass sie sich in ihrem Inneren mit ihm verbunden fühlen. Seine Worte lassen die Herzen in heiliger Begeisterung höher schlagen, wenn er sagt:

»In diesen dunklen Tagen, da sich die stinkenden Abwässer der Unmoral gleich einer Sintflut überall hin auszubreiten beginnen, jede Tugend unter sich erstickend, finden wir Trost, wenn wir sehen, wie der Segen, der von Bediüzzaman ausgeht, jeden Widerstand bricht und die Herzen aller wie ein Sturmwind erobert… Unsere Nächte waren sehr finster geworden und der Morgen nach so finsteren Nächten ist schon nahe herbeigekommen.«

Ja, diejenigen, welche gesehen haben, wie sich das Licht gleich einem Geheimnis von Herz zu Herz, jeden Widerstand brechend, mit seinem segensreichen Einfluss in jeder Ecke des Landes verteilt und verbreitet, beginnen seich erstaunt und erschreckt zu fragen: »Wer ist dieser Mann, dessen Ruhm unser Land von allen Seiten her überzieht? Was ist sein Leben, sein Werk, seine Berufung, sein Charakter? Ist der Weg, dem er folgt ein Orden (Tariqat), eine Vereinigung oder eine politische Organisation?«

Nicht nur das. Mit einem Mal begann der Strom schwerer Verfolgungen, peinlicher Untersuchungen, langwieriger, nahezu pausenloser Prozesse, ausgelöst teils direkt von der Regierung, teils von dem Justizministerium, nicht mehr abzureißen… Als sich in der Folge herausstellte, dass es sich hierbei lediglich um eine Gründung von »Glaube und Erkenntnis« handelte, welche die göttlichen Manifestationen im Lande der Herzen errichtet hatte, manifestierte sich auch die Gerechtigkeit in göttlicher Weise folgendermaßen: »Es ergeht das Urteil: Bediüzzaman wird mit allen seinen Werken freigesprochen.« Dies wurde öffentlich bekannt gegeben. So zeigte sich schließlich sonnenklar, dass der Geist über die Materie, die Wahrheit über den Irrtum allezeit, das Licht über die Finsternis, der Glaube über den Unglauben allezeit siegen wird. Diese Wahrheit ist göttliches Gesetz vor allen anderen, unveränderbar von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Man sagt, der wahre Maßstab, zu prüfen, ob Wesen und Wirklichkeit eines Reformers, in welcher Atmosphäre auch immer er erscheinen mag, echt und aufrichtig sind, bestehe darin, die Unterschiede festzustellen, die sich aus den Veränderungen im persönlichen und öffentlichen, körperlichen und seelischen Leben zwischen dem ersten Tage ergeben, an dem er mit seiner Verkündung begonnen hatte, bis zu dem Tage, wo er seine Verbesserungen erfolgreich durchsetzen konnte.

Zum Beispiel; da ist ein Mann, der ist in den ersten Tagen unaufdringlich, hochherzig, selbstlos, bescheiden, kurz eine makellose Persönlichkeit ersten Ranges, also ein wahres Beispiel von Anstand und Charakter. Sehen wir, ob er, nachdem er mit seinen Bemühungen zum Erfolg gelangt ist und sich die Gefühle, Hoffnungen und Herzen ihm zugewandt haben, sich noch immer seine frühere makellose und beispielhafte Haltung bewahren konnte? Oder glaubt er etwa in seinem Siegestaumel wie so viele, die man als groß ansieht, dass ihm der Raum zwischen Himmel und Erde zu eng geworden sei?

Dies also ist der reinste Spiegel, der das absolut wahre Gesicht irgendeines großen oder kleinen Trägers von Ziel und Aufgabe zurückwirft, Wesen und Wirklichkeit, seine Persönlichkeit und seinen wahren Charakter.

Im Verlauf der Geschichte waren es zunächst die Propheten insbesondere der Fürst aller Propheten, mit dem Friede und Segen sei, unser Herr, sodann seine Nachfolger, die Kalifen und seine Bundesgenossen, die Ssahabis, sodann die großen Persönlichkeiten, die ihrer lichtvollen Spur gefolgt sind, die das königliche Beispiel derer geben, welche die große Prüfung bestanden haben.

اَلْعُلَمَاءُ وَرَثَةُ اْلاَنْبِيَاءِ

»Die Gelehrten sind die Nachfolger der Propheten.«

In dieser Ehrwürdigen Überlieferung bringt unser Prophet in seiner so wunderbar klaren Art zum Ausdruck, dass es keineswegs eine leichte Sache ist, ein Gelehrter zu werden.

Weil also nun ein Gelehrter der Erbe der Propheten ist, muss er auch, wenn er Recht und Wahrheit lehren und verbreiten will, genau dem gleichen Weg folgen, den auch sie beschritten haben, auch wenn er übersät ist mit Felsbrocken, Steinen, Kieseln, Schlamm, auch wenn sich auf ihm Berge und Abgründe befinden, oder noch schlimmer: Verfolgung, Einzelhaft, Mordanschläge und Todesurteile und noch andere tausenderlei Arten von Unterdrückung und Folter, wie man sie sich kaum vorstellen, ja noch nicht einmal träumen kann…

So ist also Bediüzzaman eine Persönlichkeit, die ein ganzes Leben lang – mehr als ein halbes Jahrhundert – in diesem heiligen Bemühen (Cihad) einen schwierigen Weg zähen Ringens beschritt, Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellten mit Fallgeschwindigkeit überwand und damit bewies, dass er in der Tat ein Gelehrter war, der den Fußspuren der Propheten gefolgt ist.

Was mich an ihm am meisten begeistert hat, war neben seinen außergewöhnlichen wissenschaftlichen Fähigkeiten, seinem charakterlichen Wert und seiner hohen Bildung, vor allem sein Glaube, unerschütterlicher als die Berge, tiefer als die Meere, höher und weiter als die Himmel.

Oh mein Herr! Welch ein gewaltiger Glaube! Was für eine unendliche, nie versiegende Geduld! Was für ein eiserner Wille! All diesen Unterdrückungen, Warnungen, Peinigungen und Schikanen beugte er seinen Nacken nicht! Sie konnten ihn nicht mundtot machen. Stets behielt er den längeren Atem.

Inspiriert durch die Gedichte des großen Iqbal, schrieb ich einmal in meiner Begeisterung ein Gedicht, das ich »Mucahid« nannte. Manch einer von denen, welche die unten angeführten Zeilen gelesen haben, mag danach vielleicht gedacht haben, dies sei eine dichterische Übertreibung.

Wer aber dieses wunderbare Werk gelesen hat, zu dem das Vorwort zu schreiben ich die Ehre habe, der kann nur von jener überströmenden Begeisterung erfüllt werden, welche begreift, was für einen Diener sich Allah erwählt hat. Welch ein Glaube, wenn er zur Vollkommenheit gelangt! Und was für Wunder vermag er zu vollbringen!…

Sobald ein fester Entschluss eines vom Glauben erfüllten Menschen ergreift

und dieser Mensch dann vom letzten Geheimnis des Glaubens berührt wird,

kann auch der schrecklichste Tod ihn nicht in Ketten halten…

wie einen Lavastrom kann nichts ihn mehr binden…

Von meinem Herren herab gibt Kraft seinem Entschluss seine Eingebung…

Den Propheten im Traum sieht er vielleicht jeden Abend…

Ganz Licht, von seinem Glauben voll in seinem Herzen der Mihrab (Gebetsnische, Ehrenplatz)

Eine Leuchte seinem Horizont vermag in dieser Welt der Mond nicht zu sein…

Der Schnee der Winter spricht ihn nicht an, erschreckt ihn nicht, bekümmert ihn nicht, schmerzt ihn nicht…

Die Jahreszeit seines ganzen Lebens ist ein linder schattiger Sommer…

Auch des Paradieses Welten sieht er im Diesseits.

Suchte man ihn auch zu vernichten, so kümmert er sich doch nicht um seinen Kummer und Leiden so groß wie Berge…

Und öffneten sich auch rings um ihn unzugänglich steile Abgründe,

Ginge der Mond unter, verlösche die Sonne, verdunkelte sich der Horizont,

fiele der Himmel ein und stürzte herunter, er wiche nicht ab von seinem Weg und kehrte nicht um!

Und die Fackel des Glaubens, die in seiner Seele brennt, löscht nicht aus…

Wie heilig ist doch der Glaube in seinem Herzen, wie ein Vulkan!

Und in seinem Gewissen ruft jeden Augenblick eine Stimme:

Vorwärts Reisender! Die Morgen dämmern herauf! Halte sich nicht auf!

Lass die Finsternisse blutige Tränen weinen mit deiner Fackeln Schein!

Klimme der Sterne Leiter empor zu hohen Welten!

Oh Du Hand, die du aus dem Paradiese gekommen bist, die Menschheit zu erretten!

Es ist, als seien diese Verse für Hasret-i Mucahid Bediüzzaman, einen Vollendeten im Glauben, geschrieben. Denn diese hohen Eigenschaften sind sämtlich seine Eigenschaften. Sehen Sie bitte, was Gott, der Gerechte in dieser ehrwürdigen Ayah über die Mucahidin verkündet, wenn er sagt:

وَالَّذِينَ جَاهَدُوا فِينَا لَنَهْدِيَنَّهُمْ سُبُلَنَا وَاِنَّ اللّهَ لَمَعَ الْمُحْسِنِينَ

»Wer sich um Unsertwillen bemüht, dem zeigen Wir sicherlich unsere Wege, denn ohne Zweifel ist Allah mit den Muhsinin, das sind die Mucahidin, welche das Gebet so verrichten, als ob sie Allah sähen.«

Das heißt also, dass der große Allah den Mucahidin, die um des Glaubens und um des Qur’an willen dem Leben und der Welt entsagt haben, die Bahn zu Wahrheit und Rechtleitung darzulegen verspricht. Und als ob Gott, der Gerechte, Sein Versprechen nicht hielte… Keineswegs! Und dabei genügt es bereits, wenn die Bedingungen erfüllt sind, welche dieses gewaltige göttliche Versprechen zur Voraussetzung hat.

Diese ehrwürdige Ayah ist uns ein leuchtender Wegweiser, um Charakter und Persönlichkeit des Meisters kennen zulernen. Und in diesem kristallklaren Lichte können wir nun die feinsten Striche und die kleinsten Punkte sehen und wahrnehmen. Denn wenn nun einmal ein Mensch die Gnade empfangen hat, sich in Gottes, des Gerechten Schutz und Beistand zu befinden, gibt es für ihn keine Furcht, keinen Kummer, keine Traurigkeit, keine Erschrockenheit und keinen Überdruss mehr.

Was für Wolken vermögen den Himmel eines Herzens zu verhüllen, der vom Lichte Allahs erleuchtet ist? Was für vergängliche Hoffnungen und Wünsche, was für armselige Interessen und Neigungen, was für erbärmliche Launen und Absichten vermögen den Geist eines Dieners zu befriedigen, beruhigen, trösten, der Glückseligkeit erlangt hat und beständig in der göttlichen Gegenwart weilt.

Allah ist sein Herr, der ihm hilft, ihn anleitet und für ihn eintritt.

In Seinem Gedenken wird ganz Licht sein Gefühl, sein Empfinden!

Er erhebt sich zu den Stufen der Erkenntnis in jedem Augenblick.

Völlig neue Horizonte eröffnet seinem Geiste der Qur’an…

Der Qur’an erinnert ihn an die »Bezm-i Elest«.

Der Liebende ist seit Urzeiten von Seiner Gegenwart berauscht…

So ist also Bediüzzaman eine solche gesegnete Persönlichkeit, an der Gnadengaben offenbar wurden, die Wunder über Wunder sind. Und deswegen sind Gefängnisse für ihn zu Rosengärten geworden. Von dort blickt er hinüber nach den leuchtenden Horizonten der Ewigkeiten. Richtstätten wurden ihm Stätten der Verkündigung und Rechtleitung. Von dort aus erteilt er der Menschheit um eines erhabenen Zieles willen Unterricht in Ausdauer und Geduld, Unerschrockenheit und Standhaftigkeit. Gefängnisse verwandelten sich für ihn in eine Schule des ägyptischen Josef. Er betrat sie, wie ein Professor eine Universität zur Vorlesung betritt. Denn die sich dort befanden, wurden seine Schüler, die seines Segens und seiner Rechtleitung bedürftig waren. Jeden Tag einige Landsleute durch den Glauben zu retten und Verbrecher in den Zustand von Menschen gleich Engeln zu versetzen, war für ihn eine Glückseligkeit, gegen die er Welten nicht eintauschte.

Ein solcher Mensch, begabt mit dem hohen Bewusstsein des Glaubens und der Aufrichtigkeit, befindet sich in einem Zustand, da er ohne Zweifel den Goldflitter der Ideale der Zeit und des Raumes, welche die Sterblichen prägen, der finsteren Welt der Materie überlässt, und wo seine Seele sich zu den lichtüberströmten Horizonten des Geistes erhebt.

Siehe, diese hohe Stufe, welche die großen Mystiker (Sufis) als Fena-fi’llah und Baqa-bi’llah (aufgelöst und beständig in Gott vereinigt zu werden) schildern und beschreiben, ist diese heiligen Ehre teilhaftig zu werden. Ja, jeder Gläubige wird sich der Gegenwart Gottes auf seine eigene Weise bewusst und versenkt sich darin, kennt seinen persönlichen Ausdruck von Demut, Verzicht und völligem Sich-Überlassen, entäußert sich in der ihm eigenen Art, schreitet voran. Und jeder kann entsprechend seinem Glauben, seiner Erkenntnis, dem Guten, das er tut, seiner Gottesfurcht und seinem Voranschreiten im geistigen Leben an der Freude Gottes und Seinem Wohlgefallen seinen Anteil erwerben. Jedoch dauert dieser Zustand der Schönheit und Güte, dieses Wohlbefinden in Gemeinsamkeit, diese Freude ohne Beispiel bei diesen großen Mucahidin, welche die Güte oben angeführter Ayah erlangt haben, jeder Zeit fort. Und aus diesem Grunde also verfallen sie nicht der Ghafla, den Herrn zu vergessen. Sie kämpfen ein Leben lang wie die Löwen gegen ihre Selbstsucht. Und jeder Augenblick ihres Lebens gemahnt daran, in welch hohem Grade sie sich ständig weiter entwickeln und vervollkommnen. Und mit ihrem ganzen Sein finden sie sich mit dem Herrn der Welten vereinigt in Seinem Wohlgefallen – Er, der mit den Attributen »Schönheit, Vollkommenheit und Majestät (Cemal, Kemal, Celal)« bezeichnet wird. Möge der Herr auch uns dieser Schar der Glückseligen hinzufügen! Amin.

Auf den vorangehenden Seiten haben wir über den gewaltigen Glauben des großen Meisters gesprochen, der seine Freunde gleichermaßen in Freude und Erstaunen versetzte wie auch seine Feinde in Schrecken. Nun wollen wir noch ein wenig über die hohen Vorzüge, den Charakter und die Vollendung sprechen, welche diese Persönlichkeit gleich einem Lichthof umhüllt. Es ist ja bekannt, dass jede Persönlichkeit des Meisters durch folgende besondere Eigenschaften gekennzeichnet:

 

Entsagung: Die wichtigste unter den Voraussetzungen für den Erfolg eines Mannes, der eine Lehre verkünden oder gar eine Reform durchführen will, ist die Entsagung. Denn Augen und Herzen haben die Neigung diesen wichtigen Punkt besonders genau zu untersuchen und zu prüfen. Das Leben des Meisters aber ist von allem Anfang an von wunderbaren Beispielen der Entsagung randvoll gefüllt.

Von dem verstorbenen Allame Scheichu-l’Islam Mus-tafa Sabri Efendi hörte ich einmal folgenden Ausspruch über die Entsagung: »Der Islam erfordert heute solche Mucahidin, die nicht nur bereit sind, das Diesseits, sondern auch das Jenseits zu opfern.« (d.h. nicht die Genüsse im Diesseits oder im Jenseits in den Mittelpunkt ihres Interesses zu stellen. – A. d. Ü.).

Dieses große Wort, das dieser große Mann geäußert hatte, habe ich zunächst nicht völlig verstanden. Es glich mir den geheimnisvollen Aussprüchen der Sufis in ihren ekstatischen Zuständen. Und darum habe ich es auch nicht überall und jedermann zur Diskussion gestellt.

Als ich jedoch eines Tages das gleiche Wort in einer jener hinreißenden, funkensprühenden Äußerungen von Bediüzzaman wieder las, da verstand ich, dass die Entsagung für die Großen ein Maßstab ist, der mit ihnen wächst… Ja, lässt denn Allah, die Majestät Gottes (Celal), der Erbarmer, der Barmherzige, der Freigiebige, der Erhabene, der Heilige, Seine Mucahidin, die um des Islam willen auf so vieles eine so schmerzliche Entsagung geleistet haben, etwa im Stich? Ja, gereichte es Ihm denn zur Ehre, Seine zu jedem Opfer bereiten Diener und Anbeter der Freigebigkeit, Gnade und Barmherzigkeit beraubt zu lassen? Niemals!

So ist also Bediüzzaman das glänzende Beispiel einer so außergewöhnlichen Erscheinung. Sein ganzes Leben lang ist er ledig und allein geblieben. Erlaubte weltliche Genüsse blieben ihm ganz und gar versagt. Nie fand er Zeit und Gelegenheit dem Gedanken zu verfallen, ein Heim zu begründen und darin ein zufriedenes Familienleben zu führen. Doch ihn hat Gott der Gerechte mit solchen Dingen begnadet, dass sie viel zu groß und gewaltig sind, als dass eine vergängliche Feder sie beschreiben könnte.

Welches Familienoberhaupt ist heute – im übertragenen Sinne – so glücklich wie der ehrwürdige Bediüzzaman? Und wer ist Vater über Millionen von Kindern? Und noch dazu was für Kinder?!… Und welcher Meister konnte so viele Schüler heranbilden?…

Diese heilige, geistige Verbindung wird sich – mit der Erlaubnis Allahs des Erhabenen – so lange die Welten bestehen mit der Kraft eines Gießbaches fortsetzen. Denn dieser Ruf Gottes, der sich aus dem Lichtmeer des Qur’an herauskristallisiert hat, ist ein Phänomen, das aus dem Qur’an geboren wurde und mit dem Qur’an zusammen weiterleben wird.

 

Liebe und Barmherzigkeit: Der große Meister hatte Wahrheit und Wirklichkeit schon in seiner Kindheit gefunden. Ja sogar schon in den Tagen, da er sich in die Höhlen zurückgezogen hatte, um dem Ruf seines Herzens und dem Flehen seines Geistes zu lauschen, war er ein Gotteskenner geworden, der die Freude des Segens (feys) und der Gegenwart Gottes in Gebet und Gehorsam, in Kontemplation (tefekkur) und Meditation (muraqabe) genossen hatte.

In jenen gefährlichen Tagen, da der furchtbare Alptraum der Gottlosigkeit und des Unglaubens die Welt der Muslime und infolge dessen auch unser Land mit nachtgleichen Wogen zu überziehen begann, sprang er wie ein Löwe, der von seinem Lager hochschnellt, dem tosenden Donnern eines berstenden Vulkanes gleich zum Kampf in die Arena. Und siehe: Auf Weisheit gestützt wurde seit diesem Tage ein jedes Wort von ihm einem Lavabrocken und jeder Gedanke einer Feuerzunge gleich. In wessen Herz sie fielen, entzündeten sie es, entflammten die Gefühle und Gedanken…

Nachdem der große Meister sein Leben in der Einsamkeit und Zurückgezogenheit beendet hatte, warf er sich wieder ins soziale Leben, um die Menschen auf den rechten Weg zu leiten, welcher bedeutende geschichtliche Abschnitt in seinem Leben dem gleicht, das auch Imam Ghasali geführt hatte.

Damit möchte ich sagen, dass Gott der Gerechte, Seine Lehrer (Murschid) für eine Zeit lang in die Einsamkeit führt, erzieht, läutert und reinigt, bevor Er sie mit der Aufgabe betraut, die Menschen zu erleuchten und auf dem rechten Wege zu leiten. Und aus diesem Grunde überträgt sich der Atem, der ihrer Brust entströmt, reiner und klarer als ein Wassertropfen auf die Herzen, wo er dann völlig neue Wirkungen hervorruft…

Wie ich bereits dargelegt habe, erreichte Bediüzzaman in unserem Jahrhundert auf dem Gebiet von Glaube und Aufrichtigkeit das, was Imam Ghasali vor neunhundert Jahren im Felde des Charakters und der Tugend geschaffen hatte.

Ja, was Hasret-i Ustadh auf diesen fürchterlichen Kampfplatz trieb, war ganz beispiellose Liebe und Erbar-men. Darüber erfahren wir von ihm persönlich:

»Wenn mich jemand fragt: Warum hast du diesen oder jenen belästigt?, so muss ich sagen: Ich habe es nicht bemerkt. Vor mir wütet eine fürchterliche Feuersbrunst… ihre Flammen lodern zum Himmel empor… darin brennt mein Kind… mein Glaube hat Feuer gefangen. Ich laufe, um diesen Brand zu löschen und meinen Glauben zu retten. Vielleicht wollte jemand mit unterwegs ein Bein stellen und ich bin über ihn gestolpert. Was hat das für eine Bedeutung? Hat dieser kleine Zwischenfall vor dieser fürchterlichen Feuersbrunst überhaupt eine Bedeutung? Kleinliches Denken, beschränkte Anschauungen…«

 

Bedürfnislosigkeit: Der Meister hat Zeit seines Lebens allen Schichten der Gesellschaft Tausende von Beispielen seiner Bedürfnislosigkeit gegeben. Sie sind wie ein Heldenepos in aller Munde. Er vermochte sich in seiner Bedürfnislosigkeit so völlig auf Gott zu beschränken, dass er sich in seinem gesamten leib-seelischen Da-sein auf die unausschöpfbare und unauslotbare Schatzkammer des Herrn der Welten stützte. Und im Verlaufe seines Lebens geschah dies nicht zur Vorsicht; vielmehr hatte er es wie ein Bekenntnis, einen Charakterzug, eine Berufung angenommen. Und seine Beharrlichkeit darin setzt er noch immer fort, koste es, was es wolle.

Und was da neuartige an der Sache ist: Diese Berufung blieb nicht auf seine Person beschränkt. Sie übertrug sich auf seine Schüler wie ein heiliges Ideal. Es ist unmöglich, sich nicht für die Bedürfnislosigkeit eines »Nur (Licht)«-Schülers zu begeistern, der im Meere des Lichtes (Nur) zu baden die Ehre gehabt hat…

Sehen Sie nun, mit welch edlen Beweggründen der Meister in dem umfassenden Lehrbrief seines »Mektubat (Briefe)« genannten wunderbaren Werkes diesen wichtigen Punkt unter sechs Aspekten hinsichtlich Glaube und Erkenntnis erklärt hat:

Erstens: Diejenigen, welche sich im Irrtum befinden, beschuldigen die Wissenschaftler, sie würden ihre Wissenschaft um des Honorars willen betreiben… und sie greifen diese zu Unrecht an, indem sie behaupten, dass diese Wissenschaft und Glaube zu einer Einnahmequelle für ihren Lebensunterhalt umfunktioniert hätten. Deshalb ist es notwendig, diese durch Taten zu widerlegen.

Zweitens: Wir sind verpflichtet, für die Verbreitung der Wahrheit den Propheten zu folgen. In Qur’an haben diejenigen, welche die Wahrheit verbreiteten,

اِنْ اَجْرِىَ اِلاَّ عَلَى اللّٰهِ ٭ اِنْ اَجْرِىَ اِلاَّ عَلَى اللّٰهِ

»Wir erwarten von niemandem Lohn, außer von Allah.«

gesagt und so vor den Menschen ihre Bedürfnislosigkeit erwiesen…

So ist also der göttliche Sieg des Gesamtwerkes der Risale-i Nur stets ein Beispiel eines königlichen Werkes und das wundervolle Ergebnis einer heldenhaften Beständigkeit in der Berufung der Propheten. Und auf diese Weise hat der Meister seine Würde als Wissenschaftler gleich einem Diamanten gehütet; er hätte sie um nichts in der Welt verkauft.

Und wie kann schließlich ein Mensch nicht zum Eroberer der Herzen werden, der an Honoraren, Ämtern, Gütern und zahllosen anderen persönlichen und materiellen Vorteilen, deren ein-jeder ein Gefangener ist, kein Interesse hat? Und wie können gläubige Herzen nicht von seinem Segen und Licht erfüllt werden?

 

Zurückhaltung: Zurückhaltung ist nicht Anderes als eine ganz praktische Interpretation und Darlegung dessen, was wir schon zuvor als »Bedürfnislosigkeit« besprochen hatten. Will man also in das Schloss der Zurückhaltung hineingehen, muss man erst einmal durch die Türe der Bedürfnislosigkeit eintreten. Aus diesem Grunde entsprechen Zurückhaltung und Bedürfnislosigkeit einander wie Bedarf und Bedürfnis.

Einem Mucahid wie dem Ustadh, der sich die Bedürfnislosigkeit des Propheten zum Beispiel genommen hatte, wurde Zurückhaltung so sehr zur zweiten Natur, dass ihm schließlich eine Tasse Suppe, ein Glas Wasser und ein Stück Brot am Tag genügten. Denn dieser große Mann lebte, wie der große und gerecht denkende französische Dichter Lamartin einmal gesagt hat: »Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen, um zu leben.«

Nachdem ich den Charakter und die Berufung des Meisters ganz verstanden habe, meine ich, es wäre des Guten zu viel getan, wollte man zur Betrachtung seiner weitgehenden Zurückhaltung lediglich einen Vergleich mit so einfachen Dingen wie Essen und Trinken heranziehen. Denn es ist notwendig, die weitgehende Zurückhaltung dieses großen Menschen auf geistige Bereiche anzuwenden und sie mit immateriellen Maßstäben zu messen.

Zum Beispiel: Der Meister ist ein Genie, das die Fähigkeit, sich zurückzuhalten, nicht nur bei so einfachen dingen wie Essen, Trinken, Kleidung anzuwenden vermag, sondern auch für dergleichen innerliche und abstrakte Werte wie Denken, Geisteskraft, Begabung, Lernfähigkeit, Zeit und Gelegenheit, Selbstbehauptung und Mitteilung. Daran hat er sich ein Leben lang gehalten. Und die sorgfältige Befolgung und Beobachtung dieser Praxis hat er auch allen seinen Schülern ans Herz gelegt. Deshalb ist es auch keine leichte Sache, für einen »Nur«-Schüler eine Lektüre auszuwählen oder das rechte Wort an ihn zu richten. Denn des Meisters Wort »Achtung!« – eingeschrieben im Brennpunkt des Herzens seines Schülers – erwies sich ihm als ein äußerst empfindliches Kontrollinstrument.

So also hat Bediüzzaman eine vollkommen lautere Generation von Schülern herangebildet und sich so in der Tat als ein kraftvoller Reformator und ein wahres Wunder an pädagogischem Können erwiesen. Und als Meister der Beherrschung stellt er in der Schöpfung eine solche Ausnahme dar, dass sein Name im Buche der Geschichte auf einer neuen pergamentenen Seite mit leuchtenden Buchstaben eingetragen steht.

 

Schlichtheit und Bescheidenheit: Diese beiden Eigenschaften haben ganz besonders zu der so wunderbaren Verbreitung seiner »Nur«-Werke in der Welt beigetragen und darin ihre tiefen Spuren hinterlassen.

Der Meister trat während seiner Vorträge und in seinen Schriften niemals wie ein »Qutbu-l‘Arifin« (Mittelpunkt der Gelehrten) oder »Ghauthu-l’Wasilin« (Oberster Kenner der Wahrheit) auf. Darum schlugen sehr rasch die Herzen ihm zu; er wurde geliebt mit einer reinen und aufrichtigen Innigkeit und seine erhabene Zielsetzung wurde sofort angenommen.

Zum Beispiel: Oft, wenn er über Weisheit, Ethik und Moral sprach, Beispiele gab und Schlussfolgerungen zog, hielt er an sich selbst eine Rede oder auch einen Einführungsvortrag, um Grundsätze klarzustellen. Erster und einzig angesprochener seiner scharfen und feurigen Ansprachen war sein eigenes Ich. Von da aus wie von einem Mittelpunkt auf die ganze Umgebung richten sie sich an alle Herzen, die sich nach Licht und Freude, Glück und Frieden sehnen.

Der Meister war in seinem eigenen Leben ruhig und ausgeglichen und im höchsten Grade bescheiden. Er war bis zum letzten bereit auf alles zu verzichten und konnte keinem Menschen, ja nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun. Er nahm zahllose Mühen und Anstrengungen, Sorgen und Entbehrungen auf sich… allerdings unter der Voraussetzung, dass der Glaube und der Qur’an nicht angetastet werden.

Dann aber schauen Sie, wie dieses stille Meer zur Sintflut wurde, deren Wogen sich zum Himmel auftürmten, wie ein zorn-grollender Ozean die beschauliche ruhe der Strände zerstört. Denn er war ein treuer Diener des erhabenen Qur’an und ein Soldat, der an den Grenzen des Glaubens Wache stand, bereit zu kämpfen und zu verzichten. Er selbst drückt diese Wahrheit kurz und treffend mit folgendem Satz aus: »Ein Wachsoldat auf Posten wird seine Waffe auch dann nicht aus der Hand legen, wenn der Oberste Befehlshaber vorbeikommt. Auch ich bin ein Diener und ein Soldat des Qur’an. In der Erfüllung meiner Pflichten sage ich die Wahrheit und beuge mich nicht, mag kommen wer mag…«

Die nachstehenden Verse beschreiben sein Befinden in der Erfüllung der Pflicht und auf dem Schlachtfeld:

Mich aufbäumend wie ein Pferd zerbreche ich die blutige Kandare,

Den heimtückischen Feinden – bewahre mich Gott – werde ich mein »Sein« nicht verkaufen;

weit entfernt zu sein von meinem »Sein« bedeutet mir Gefangenschaft;

so in Schande zu fallen, was für eine erbärmliche Qual!

Nach ewiger Vereinigung mich sehnend verbringe ich jeden Augenblick…

Von der Macht Gottes erbaut ist eine Festung mein Glaube,

aus dieser heiligen Hoffnung welch eine Freude!

Sehen möchten mich im Paradiese die Zeugen, meine Väter…

Ewig mein Geist – Ewig mein Leben,

Zur Großen Vereinigung, zu Allah öffnet sich des Todes Tor.

Bevor wir nun mit dieser Lektüre der Biographie des Meisters beginnen, zunächst noch einige kritische Anmerkungen in wissenschaftlicher, mystischer und dichterischer Hinsicht, sowie in Bezug auf seine persönliche Lehrmeinung. Aber nachdem ich die Erfahrung gemacht hatte, dass sich die oben angeführten Aspekte wegen ihrer Tiefe und ihres Umfanges ganz bestimmt nicht auf wenigen Seiten abhandeln lassen, hielt ich es schließlich für besser, sie in einigen wenigen Sätzen lediglich kurz anzudeuten.

Insoweit mir mein Herr die Möglichkeiten dazu gewährt, möchte ich von ganzem Herzen diese tiefgreifenden Aspekte in Einheit mit dem Gesamtwerk der Risale-i Nur und der »Nur«-Schülerschaft in einem eigenen großen Werk kritisch untersuchen und studieren. Dazu erbitte ich die geschätzte Hilfe des Gebetes unseres großen Meisters und meiner lieben Brüder!

 

Der Meister in wissenschaftlicher Sicht:

»Die Arbeit ist eines Menschen Spiegel – unbesehen seiner Worte.

Die Bedeutung des Verstandes eines Menschen wird an seinem Werk gemessen,«

Mit diesen Worten bringt der verstorbene Ziya (sprich: sija) Pascha eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck, die von einer Generation auf die andere als ein Grundsatz weitergegeben wird.

Ja, unserem muslimischen Volk, dem der Meister eine gewaltige Bibliothek des Glaubens und der Erkenntnis wie das Risale-i Nur Gesamtwerk geschenkt und in dessen Herzen er eine heilige Stätte des »Lichtes (Nur)« erbaute, die wissenschaftliche Größe dieser außergewöhnlichen Führerpersönlichkeit vor Augen führen zu wollen, wäre eine ebenso unnötige Arbeit, als wolle man am hellen Mittag einen Nachweis der Sonne führen.

»Es gibt eine Schönheit, da einem jede Wahlmöglichkeit aus den Händen gleitet, wenn man sie betrachtet.«

Diesen Ausspruch prägt einer unserer Dichter in seiner überschwänglichen Begeisterung. Dergleichen Manifestationen des Göttlichen wurden dieser gesegneten Persönlichkeit nahezu in jedem Augenblick ihres Lebens zuteil. Von seinem Wissen und seiner Erkenntnis, von seiner Ethik und seiner Vollkommenheit zu sprechen, gibt dem Menschen eine ganz andere Empfindung und eine göttliche Freude. Es fällt mir darum schwer, mich kurz zu fassen.

Der Meister hat in den Risale-i Nur Werken die wichtigsten religiösen, sozialen, ethischen, literarischen, juristischen, philosophischen und mystischen Themen angeschnitten. Und sie alle hat er auch in wunderbarer Weise erfolgreich behandelt. Ganz besonders erstaunlich daran aber ist, dass er schwierigste Themen, über denen viele Wissenschaftler auf Abwege geraten waren, auf verständliche Art und zuverlässige Weise erklärte, sich dem erleuchteten Wege der »Ahl-i Sunna wa-l’Cema‘a« (die Anhänger des traditionellen gemeinsamen Weges) folgend an zahllosen abgrundtiefen Strudeln vorbei ans sichere Ufer brachte und so auch die Leser seiner Werke errettete.

Deshalb ist es uns eine Ehre, das Gesamtwerk der Risale-i Nur unserem verehrten Volke mit absoluter Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit anbieten zu können. Die »Nur«-Werke sind die klaren Tropfen aus dem »Licht (Nur)«-Meer des Ehrwürdigen Qur’an und kristallen-funkende Strahlenbündel, die aus der Sonne seiner Rechtleitung hervorbrechen. Deshalb fällt es jedem Muslim als heilige Pflicht zu, diese lichtvollen Werke, die den Glauben retten werden, zu verbreiten. Denn im Laufe der Geschichte ist es sehr oft vorgekommen, dass ein Werk gar manchen Menschen, Familien, Gemeinschaften, ja ganzen Scharen ein Anlass zu Glück und Rechtleitung wurde… Oh, wie glücklich der Mensch, der seinem Glaubensbruder ein Anlass zur Rettung im glauben wurde.

 

Der Meister hinsichtlich seiner persönlichen Lehrmeinung: Es ist ja bekannt, dass ein jeder Denker sein eigenes Denksystem hat, ein Gedankengebäude, dementsprechend er sein Leben einrichtet, ein Ideal, an das er sein ganzes Herz hängt. Um von seinem Denksystem, seinem Gedankengebäude, seinen Zielvorstellungen und Idealen berichten zu können, bedarf es einer längeren Vorrede. Um aber über das Denksystem, das Gedankengebäude Bediüzzamans, seine Zielvorstellungen und Ideale zu berichten, braucht man sich nicht erst lange mit Vorreden aufzuhalten. Sie lassen sich in einem Satz zusammenfassen:

Die Verkündigung der »Göttlichkeit und Einheit des Schöpfers des Alls« ist der Inhalt aller Heiligen Schriften und die einhellige Lehre (da’wa) der Propheten und diese große Lehre (da’wa) beweist er auch mit den Beweismitteln der Wissenschaft, der Logik und der Philosophie.

– Hat also der Meister auch eine Beziehung zur Logik, zur Philosophie und den positiven Wissenschaften?

– Ja, solange Logik und Philosophie in Einklang stehen mit dem Qur’an und wirklich und wahrhaftig in seinem Dienst stehen, ist der Meister auch der größte Logiker und der mächtigste Philosoph. Die glänzendsten Beweise und zuverlässigsten Zeugnisse, die er zum Beweis seiner heiligen und weltumfassenden Lehre verwendet, entnimmt er den positiven Wissenschaften, die mit jedem Tag mehr beweisen und verkündigen, dass der Ehrwürdige Qur’an »Allahs Wort« ist.

Insoweit Philosophie Weisheit bedeutet, ist jedes Werk, das sich darum bemüht, die Notwendigkeit der Existenz (Vacibu-l’Vucud) des Erhabenen und Heiligen Herrn (Hasretleri) anhand Seiner Attribute zu beweisen, die Seiner Schöpferpersönlichkeit entsprechen müssen, die größte Weisheit und der Verfasser dieses Werkes der größte Weise.

Weil also der Meister einen solchen wissenschaftlichen Weg, nämlich den lichtvollen Weg des Ehrwürdigen Qur’an, beschritten hatte, gelangte er zu der Ehre, den Glauben Tausender von Studenten zu retten. Hasret besaß hinsichtlich dessen noch sehr viele Wissenschaftliche, literarische und philosophische Vorzüge. Diese aber möchte ich inscha-a’llah in einer eigenen Arbeit gesondert darstellen und mit Beispielen aus seinen Werken belegen. Und den Erfolg verleiht Allah.

 

Der Meister in mystischer Hinsicht: Ich fragte einmal einen Scheich des Naqschibandi-Ordens, der stets darum bemüht war, sein ganzes Verhalten mit dem des Peygamber-i Sieschan Efendimis Hasretleri (der ehrwürdige Herr Prophet, dem die Ehre gebührt) in Übereinstimmung zu bringen, und der ein großer Gelehrter war.

– »Efendi Hasretleri, worin ist die Ursache für das gespannte Verhältnis zwischen den Gelehrten und den Mystikern (Sufis) zu suchen?«

– »Die Gelehrten wurden die Erben und Nachfolger des Ressul-ü Ekrem Efendimis (Unser großmütiger Herr, der Prophet) und die Mystiker die Erben und Nachahmer seiner Taten. Aus diesem Grunde wird einer, der unserem Herrn, dem Stolz der Welt, sowohl hinsichtlich seiner Wissenschaft ein Nachfolger, als auch ein Nachahmer seiner Taten ist, Dhulcenaheyn (der mit den beiden Flügeln) genannt. Infolgedessen liegt also die Aufgabe eines Tariqat nicht darin, das zu tun, was allgemein erlaubt ist, sondern darin, sich darüber hinaus zu bemühen, der Ethik des Propheten zu entsprechen, sich von allen innerlichen Krankheiten zu reinigen und mit dem Wohlgefallen Gottes, des Gerechten in Einklang zu gelangen (fena-fi’llah). So sind also diejenigen, die zu dieser hohen Stufe gelangt sind, ohne Zweifel im Besitze der Wahrheit. Denn sie haben das Ziel erreicht, das sie im Orden erwartet und erstrebt haben. Weil es aber nicht für jedermann leicht ist, diese hohe Stufe zu erreichen, haben unsere Großen bestimmte Prinzipien aufgestellt, um die Erreichung dieses Zieles zu ermöglichen. Kurzum: ein Orden ist ein Kreis innerhalb des Kreises der Scheriah. Wer aus dem Orden herausfällt, der fällt in die Scheriah. Wer aber aus der Scheriah herausfällt – und da sei Gott vor! – der verbleibt für ewig in einem Minus.«

Der Erklärung dieser großen Persönlichkeit entsprechend gibt es keinen substantiellen Unterschied zwischen dem Weg, den der Bediüzzaman eröffnet hat und dem reinen und wahren Tassauvuf (Mystik). Beides sind Wege, die (den Menschen) nach des Schöpfers und Gestalters (Bari‘) Wohlgefallen umformen und ihn so zu den Höhen des Paradieses und zur Anschauung Gottes (Maula; Herr) führen.

Infolgedessen gibt es für einen Sufi-Bruder, der sich dieses erhabene Ziel gesteckt hat, keinen Grund, der daran hindern könnte, das Risale-i Nur Gesamtwerk mit Freuden zu lesen; im Gegenteil: Die Risale-i Nur erweitert ihm den mystischen Meditationskreis im Sinne des Ehrwürdigen Qur’an und gibt ihm noch eine zusätzliche Kontemplationsaufgabe gleichsam als einen besonders wichtigen Rezitationsstoff hinzu.

Ja, weil das Denken dem Herz und Sinn des Menschen völlig neue Horizonte eröffnet, sieht und schaut, beobachtet und betrachtet der »Ssalik«, dessen Herz allein mit der Meditation beschäftigt ist, nun in der Einheit mit seinem Herzen und allen seinen Sinnen den Kosmos in all seiner Größe und gewaltigen Majestät vom Atom bis zum Planeten, nimmt in vollkommener Ekstase die Schönen Namen und erhabenen Eigenschaften war, mit denen sich Gott der Gerechte, in tausend und noch einer Weise der Welt offenbart und fühlt sich letzten Endes in einem Gotteshaus ohne Grenzen und im Grade der Sicherheit der Wahrnehmung, des Verstandes und der Wirklichkeit (‘ayna-l’yaqin, ‘ilme-l’yaqin, haqqa-l’yaqin). Denn der in dieses »Gotteshaus« eintretende betritt ein so großes Gotteshaus, dass darin eine Gemeinschaft von abermilliarden Menschen in Liebe und Begeisterung, Demut, Ehrfurcht und Versenkung ihres Schöpfers gedenkt. Sie alle singen im Chor voll Begeisterung, in reinstem Wohllaut und in schönster Harmonie ihr Lied und rufen:

سُبْحَانَ اللّٰهِ وَالْحَمْدُ لِلّٰهِ وَلاَ اِلهَ اِلاَّ اللّٰهُ وَاللّٰهُ اَكْبَرُ

»Gepriesen sei Gott! Lobpreis und Dank sei Gott! Es gibt keine Gottheit außer Gott! Gott ist groß!«

Wer dem Wege folgt, den der Glaube, die Erkenntnis und der Qur’an in der Risale-i Nur eröffnet, der betritt ein solches gewaltiges und majestätisches Gotteshaus. Und jeder empfängt darin entsprechend seinem Glauben, seiner Erkenntnis und seiner dienenden Hingabe auch den Segen, die Gnade und den Erfolg (von Gott).

 

Der Meister in Literarischer Hinsicht: Von jeher wurden die Literaten und Dichter, die Denker und Gelehrten hinsichtlich Geist und Buchstabe, Stil und Inhalt in zwei Gruppen eingeteilt Manche unter ihnen haben nur auf Stil und Ausdruck, Metrik und Reim Wert gelegt und den Inhalt dem Ausdruck geopfert. Dies scheint sich sehr häufig in der Dichtkunst gezeigt zu haben.

Die andere Gruppe legte sehr viel Wert auf die Bedeutung und den Inhalt und opferte nicht den Kern dem Wort.

Am Schluss denke ich, dass ein großer Denker unter den Literaten, wie Bediüzzaman dieses kleine Vorwort leicht verstehen wird. Denn der Meister war ein Genie und sein Leben ein Segen; und sein Wert lag nicht darin, Wörter für die Ohren aufzustellen und einzuordnen, sondern im Gegenteil: eine Empfindung des Bekenntnisses, ein Bewusstsein des Glaubens und einen Sinn für Ethik und Moral für alle Zeiten und Generationen als Grundsatz einzuprägen, der mit den Menschen in den Herzen, dem Gemüt, dem Geist und dem Denken als ein heiliges Ideal fortleben wird, Und letztendlich kann sich ein Mucahid, der Welt und Leben entsagt hat um eines so hohen Zieles willen, ganz natürlicher Weise nicht mit eitlen Dingen beschäftigen.

Und dabei hatte der Meister, wenn man seinen Sinn für Schönheit betrachtet, seine Herzensbildung, seine Gedankentiefe und die Kühnheit seiner Träume noch dazu eine ans wunderbare grenzende dichterische Kraft und Fähigkeit, Aus diesem Grund ändern sich Ausdrucks- und Darstellungsweise entsprechend dem Inhalt. Will er z. B. den Verstand ansprechen, bei der Abhandlung von philosophischen oder naturwissenschaftlichen Themen überzeugen, logisch und mathematisch einen Beweis antreten, dann verwendet er kurze klare Sätze. Und auch in den herzerhebenden Augenblicken der Trunkenheit des Geistes erreicht er jene unbeschreibliche Klarheit reinsten Wassers. Wenn er z. B. die Himmel, die Sonnen, die Sterne, den Mondschein, ja sogar die Welten im Frühling und die in ihnen aufstrahlende Macht und Größe des Allweisen Herrn dieser Welten beschreibt, dann geht die Art seines Stils so sehr ins Subtile, dass schließlich ein jedes seiner Gleichnisse an einen geschmackvoll kolorierten Rahmen um eine Tafel erinnert, welche das Weltall ist… jede Beschreibung lässt eine Welt von Wundern über Wundern lebendig werden.

Dieser Weisheit zur Folge wird ein »Nur«-Schüler, auch wenn er irgendeine Fakultät an einer Universität besucht – in seinen Gefühlen, seinen Gedanken, seinem Geist, seinem Verantwortungsbewusstsein, seiner Vorstellungs-welt zufrieden gestellt.

Und wie könnte er auch nicht zufrieden gestellt sein, wo doch das gesamte Risale-i Nur Werk ein Strauß von Rosen ist, gepflückt in dem Garten der Welt des edlen Qur’an. Und deshalb findet sich auch in ihm dieses gesegneten göttlichen Gartens Licht, Luft, Duft und Strahlen…

Alle Dinge bringen dieses Bedürfnis des Geistes zum Ausdruck:

Der Qur’an ist jeder Zeit das Bedürfnis des Menschen.

Ali Ulvi Kurucu


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