Einundzwanzigster Blitz

Über die Wahrhaftigkeit (ikhlas)

Diese Abhandlung war ursprünglich die Vierte von sieben Problemstellungen der Siebzehnten Notiz zum Siebzehnten Blitz. Sie ist wegen ihres Zusammenhanges mit der Wahrhaftigkeit zum Zweiten Punkt des Zwanzigsten Blitzes geworden, wurde jedoch auf Grund ihres Glanzes als Einundzwanzigster Blitz in den Band der »Blitze« eingereiht.
Diese Abhandlung soll mindestens einmal in Fünfzehn Tagen gelesen werden.

بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمٰنِ الرَّحِيمِ

وَلاَ تَنَازَعُوا فَتَفْشَلُوا وَتَذْهَبَ رِيحُكُمْ ٭ وَ قُومُوا لِلّٰهِ قَانِتِينَ ٭

قَدْ اَفْلَحَ مَنْ زَكَّيهَا وَ قَدْ خَابَ مَنْ دَسَّيهَا ٭ وَلاَ تَشْتَرُوا بِآيَاتِى ثَمَنًا قَلِيلاً

»Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Allbarmherzigen. Streitet euch nicht miteinander, damit ihr nicht den Mut verliert und der Sieg euch nicht entgleitet.« (Sure 8, 46) »Und steht demütig vor Gott.« (Sure 2, 238) »Wohl ergeht es dem, der sie reinigt. Und zu Schanden wird, der sie verdirbt.« (Sure 91, 9-10) »Und verkauft nicht meine Zeichen für ein Geringes!« (Sure 2, 41)

Oh meine Brüder im Glauben und meine Gefährten im Dienst am Qur’an! Ihr wisst ja bereits und ihr solltet es auch wissen, dass in dieser Welt wie auch in jener Welt immer dann, wenn ihr den Lohn eurer Guten Werke erst dort erwartet (uhrevi hizmetler), der wichtigste Grundsatz, die stärkste Kraft, der willkommenste Fürsprecher, der beständigste Stützpfeiler, der kürzeste Weg zur Wahrheit, das willkommenste wortlose Gebet, das wundersamste Fahrzeug (auf dem Weg) zu eurem Ziel, die erhabenste Eigenschaft und der reinste Gottesdienst (ubudiyet) die Wahrhaftigkeit ist. Doch obwohl nun die Wahrhaftigkeit so viele lichtgleiche hervorragende Eigenschaften und so viele Kräfte umfasst und obwohl wir in diesen schrecklichen Zeiten und angesichts solch fürchterlicher Feinde, einem starken Druck, überwältigender ketzerischer Neuerungen und Verirrungen so außerordentlich wenige, so schwach, arm und kraftlos sind, wurde doch durch Gottes Güte eine so große und schwere, allumfassende heilige Aufgabe im Glauben und Dienst am Qur’an auf unsere Schultern gelegt. Mit Sicherheit sind wir daher mehr als jeder andere dazu verpflichtet mit unserer ganzen Kraft nach Wahrhaftigkeit zu streben. Diesem Geheimnis der Wahrhaftigkeit in uns Raum zu verschaffen ist für uns ganz besonders notwendig. Sonst wäre, was wir bisher in unserem heiligen Dienst erreicht haben, zum Teil wieder verloren, könnte nicht weiter bestehen und wir würden dafür unnachsichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dann würde zum Schaden unserer ewigen Glückseligkeit die nachdrückliche Warnung wahr werden, die in dem göttlichen Verbot der Ayah

وَلاَ تَشْتَرُوا بِآيَاتِى ثَمَنًا قَلِيلاً

»Und verkauft nicht meine Zeichen für ein Geringes!« (Sure 2, 41)

enthalten ist, und unsere Wahrhaftigkeit um irgendwelcher bedeutungsloser, völlig überflüssiger, schädlicher, trauriger, selbstsüchtiger, abscheulicher, scheinheiliger, niedriger Gefühle und eines persönlichen Vorteils willen zu Grunde gehen. Wir würden die Rechte unserer Brüder verletzen. Es wäre ferner eine Pflichtverletzung im Dienst am Qur’an und letztendlich auch eine Respektlosigkeit gegenüber den heiligen Glaubenswahrheiten.

Meine Brüder! Es gibt vor einer großen und bedeutenden guten Tat viele Schaden bringende Hindernisse. Die Teufel lassen diejenigen, welche an solchen Diensten mitwirken niemals in Ruhe. Wegen dieser Hindernisse der Teufel ist es notwendig, sich auf die Kraft der Wahrhaftigkeit verlassen zu können. Ihr solltet euch vor all den Dingen hüten, welche eure Wahrhaftigkeit zerstören könnten, so wie man sich auch vor Schlangen und Skorpionen hüten muss. So wie bereits Hasret Yusuf, mit dem der Friede sei, sagte:

اِنَّ النَّفْسَ َلاَمَّارَةٌ بِالسُّوءِ اِلاَّ مَا رَحِمَ رَبِّى

»Denn fürwahr, die Seele verlangt gebieterisch nach dem Bösen, es sei denn, dass mein Herr sich erbarmt.« (Sure 12, 53)

soll man dem, was die Seele gebietet, nicht vertrauen. Lasst euch nicht täuschen durch das, was eure Ichsucht und eure Seele euch gebieten! Um Wahrhaftigkeit zu erlangen und zu wahren und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, solltet ihr die folgenden Regeln als Wegweiser gebrauchen:
Eure erste Regel: In euren Werken das Wohlgefallen Gottes suchen. Wenn Er zufrieden ist, ist es nicht mehr wichtig, wenn auch die ganze Welt euch zürnt. Wenn Er etwas annimmt, bleibt es ohne Wirkung, wenn alle Welt es ablehnt. Nachdem Er etwas mit Wohlgefallen angenommen hat, Er es wünscht und Seine Weisheit es erfordert, wird Er, auch wenn ihr Ihn nicht ausdrücklich darum gebeten habt, alle Welt in Bewegung setzen, es anzunehmen. Auch sie werden damit zufrieden sein. Aus diesem Grund ist das elementare Ziel in diesem Dienst, direkt und unmittelbar einzig das Wohlgefallen Gottes des Gerechten zu erstreben.
Eure zweite Regel: (Dies soll nicht gesagt sein) um die im Dienst des Qur’an stehenden Brüder zu kritisieren, ihnen eure Überlegenheit vor Augen zu führen und so Gefühle der Eifersucht und des Neides in ihnen wachzurufen. Denn so wie des Menschen eine Hand nicht gegen die andere konkurriert, ein Auge nicht das andere kritisiert, die Zunge nicht dem Ohr widerspricht und das Herz die Mängel des Geistes (ruh) nicht offen legt, so ergänzt es vielmehr dessen Unvollkommenheiten, bedeckt seine Fehler, hilft ihm in seiner Not und unterstützt ihn in (der Erfüllung) seiner Aufgaben. Denn andernfalls würde das Leben im Dasein des Menschen ausgelöscht, sein Geist entflieht und der Leib zerfällt. Und so wie ferner die Räder in einer Maschine nicht miteinander konkurrieren, einander nicht zu überflügeln und zu überbieten trachten, sich
vielmehr ihre Fehler nachsehen, einander nicht kritisieren, sich ihren Arbeitseifer nicht gegenseitig zerstören und einander nicht aufhalten, so helfen sie auch einander, nach besten Kräften ihre Bewegungen auf das gemeinsame Ziel hin auszurichten. So bewegen sie sich denn in völliger Übereinstimmung und Einheit dem Ziel ihrer Schöpfung entgegen. Sollte sich hier auch nur ein ganz klein wenig Angriffslust oder Herrschsucht einschleichen, so würde das die ganze Fabrik vollkommen durcheinander bringen, unproduktiv werden und ohne Ergebnis bleiben. So würde denn ihr Besitzer die ganze Fabrik vollständig zerlegen und demontieren.
So seht denn nun, ihr Schüler der Risale-i Nur und Diener des Qur’an! Ihr und wir bilden die Organe eines geistigen Körpers, würdig, den Namen eines vollkommenen Menschen zu tragen. Wir gleichen dem Räderwerk einer Fabrikationsanlage, die als Endprodukt eine Ewige Glückseligkeit in einem Ewigen Leben herstellt. Wir sind die Schauerleute, die auf einem Boot ihres Herrn arbeiten, das die mohammedanische Gemeinschaft (Ummat-i Muhammed) zum Haus des Friedens (Daru-s’Selam) an der Küste der Sicherheit (selamet) bringen wird. So bedürfen wir sicherlich der Solidarität und wahrhaftigen Einheit, die wir im Geheimnis der Wahrhaftigkeit zu gewinnen trachten sollten, ja geradezu gewinnen müssen und die sicher gestellt wird durch vier Einzelpersonen, deren vereinigte geistige Kräfte 1111 Personen ergeben.

 

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