Zwanzigster Blitz
Über die Wahrhaftigkeit (ikhlas)
Obwohl dies eigentlich der Erste von fünf Punkten ist, der das Zweite von sieben Themen der siebzehnten Anmerkung des Siebzehnten Blitzes bildet, ist er nun auf Grund seiner besonderen Bedeutung zum Zwanzigsten Blitz geworden, und dies .
بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمٰنِ الرَّحِيمِ
اِنَّا اَنْزَلْنَا اِلَيْكَ الْكِتَابَ بِالْحَقِّ فَاعْبُدِ اللّهَ مُخْلِصًا لَهُ الدِّينَ
اَلاَ لِلّٰهِ الدِّينُ الْخَالِصُ
»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen; Wir haben dir das Buch in Wahrheit herabgesandt. So bete nun Gott in Wahrhaftigkeit an. Denn Gottes ist die Wahrhaftigkeit im Glauben.« (Sure 39, 1-2)
Diese Ayah und die Ehrenwerte Hadith
هَلَكَ النَّاسُ اِلاَّ الْعَالِمُونَ وَهَلَكَ الْعَالِمُونَ اِلاَّ الْعَامِلُونَ
وَهَلَكَ الْعَامِلُونَ اِلاَّ الْمُخْلِصُونَ وَالْمُخْلِصُونَ عَلَى خَطَرٍ عَظِيمٍ
»Alle Menschen werden untergehen, außer den Wissenden. Und alle Wissenden werden untergehen, außer denen, die danach handeln. Und alle, die handeln, werden untergehen, außer den Wahrhaftigen. Und selbst noch die Wahrhaftigen sind in großer Gefahr.« (oder so ähnlich)
weisen beide darauf hin, welch wichtiger Grundsatz die Wahrhaftigkeit für die islamische Gemeinschaft ist. Unter den zahllos vielen Punkten, die sich mit der Frage der Wahrhaftigkeit beschäftigen, wollen wir hier nun »Fünf Punkte« näher erläutern.
Erster Punkt
Eine bedeutende, jedoch peinliche Frage: Wie kommt es, dass die Leute des Glaubens und der Wissenschaft* und die Angehörigen der Orden, obwohl sie doch die Leute der Wahrheit und der Eintracht sind, sich in Rivalität zerstreiten, während doch die Leute dieser Welt und die Gottvergessenen, ja sogar die Leute des Irrweges und die Heuchler miteinander zusammenarbeiten ohne dabei zu konkurrieren? Einheit (ittifaq) gehört doch nun wirklich zu den Leuten der Eintracht und die Disputationen den Heuchlern. Wie kommt es denn nur, dass das Recht dort hinüber gegangen und das Unrecht hierher gekommen ist?
Antwort: Wir wollen hier für die so vielen schmerzlichen, fürchterlichen, schrecklichen Ereignisse, wie sie Leute, die sich die Dinge zu Herzen genommen haben, zum Weinen bringen, sieben Gründe näher erläutern.
Erster Grund: Geradeso, wie eine Diskussion unter den Leuten der Wahrheit nicht aus einem Mangel an Wahrheit entsteht, so entsteht auch die Einheit (ittifaq) unter den Leuten der Gottvergessenheit nicht etwa dadurch, dass sie die Wahrheit besäßen. Es ist vielmehr so, dass eine spezielle Aufgabe, eine besondere Funktion, diesen Klassen der Gesellschaft zugeschrieben wurde, wie den Weltleuten, denen, die sich in der Politik engagiert haben und denen, die eine weltliche Erziehung genossen haben, und so wurden die Funktionen verschiedener Gruppen, Gesellschaften und Gemeinschaften definiert und unterscheiden sich nun voneinander. In ähnlicher Weise wurde auch der materielle Gegenwert, den sie ihrer Funktion entsprechend zu empfangen haben, um sich so ihren Lebensunterhalt sichern zu können, wie auch der moralische Wert, welcher in der Gunst besteht, die ihnen die Leute entsprechend ihrem Stolz und ihrem Einsatz entgegenbringen, festgesetzt und genau verteilt.** Es gibt also grundsätzlich nichts, was genügend Konfliktstoff, Uneinigkeit oder gar Streit produzieren könnte. Wie groß also auch immer der Weg des Übels sein mag, dem sie folgen, so können sie sich dennoch untereinander einigen (ittifaq).
Was aber nun die Leute des Glaubens, der Wissenschaft und die Gefährten der Orden betrifft, so beziehen sich ihre Aufgaben auf die gesamte Menschheit, ihr weltlicher Lohn ist weder festgelegt noch irgendwie unterteilt, und ihr Anteil (makam) an sozialem Ansehen, sowie ihre Stellung in der Öffentlichkeit, sind nicht von vornherein festgelegt. Es können viele für den selben Posten (makam) kandidieren. Es strecken sich viele Hände nach dem gleichen geistigen und materiellen Gewinn aus, der ihnen angeboten wird. Von daher also kommt es, dass Konflikte und Streitigkeiten untereinander entstehen. So verkehrt sich Einigkeit in Uneinigkeit und Einheit (ittifaq) verwandelt sich in Streit.
So ist denn Wahrhaftigkeit gegen diese fürchterliche Krankheit die Salbe und Arznei. Das heißt, (Wahrhaftigkeit kann dadurch erreicht werden), dass man die Wahrheitsliebe der Eigenliebe vorzieht und seinen Egoismus und den Gefallen an sich selbst (nefs ve enaniyet) durch den Gefallen an der Wahrheit (haqq) überwindet und so die Bedeutung der Ayah
اِنْ اَجْرِىَ اِلاَّ عَلَى اللّٰهِ
»Fürwahr, mein Lohn ist einzig bei Gott.« (Sure 11, 29)
zum Ausdruck bringt, die materielle und geistige Belohnung der Menschen zurückweist*** und die Bedeutung der Ayah
وَمَا عَلَى الرَّسُولِ اِلاَّ الْبَلاَغُ
»Und nichts obliegt dem Propheten außer seiner Verkündigung.« (Sure 5, 99)
zum Ausdruck bringt.
Wer weiß, dass solche Angelegenheiten, wie wohl angesehen zu sein, einen guten Eindruck zu machen und bei den Menschen in Gunst zu stehen, eine Angelegenheit Gottes des Gerechten und in Seiner Huld (ihsan) sind und nichts mit der Verkündigung (tebligh) der Botschaft zu tun haben, die seine eigene Aufgabe (vasifah) ist, dabei auch gar nicht notwendig sind, weil er auch gar nicht (mit dergleichen Angelegenheiten) betraut ist, (wer dies weiß) wird (in der Erlangung) der Wahrhaftigkeit erfolgreich sein. Andernfalls wird seine Wahrhaftigkeit ihm entfliehen.
Zweiter Grund: Die Einheit (ittifaq) unter den Leuten des Irrweges entspringt aus ihrer Erniedrigung und die Disputationen unter den Leuten der Rechtleitung erwächst aus ihrer Würde.
…
* Es gehört zu den günstigen Zeichen, welche angeben, dass Isparta besonders gesegnet ist und welche daher eine Quelle unseres besonderen Dankes sind, dass es in dieser Stadt, verglichen mit anderen Orten, keine deutlich sichtbaren Streitigkeiten und Machtkämpfe zwischen den Frommen, den Angehörigen der Orden und den Leuten der Wissenschaft gibt. Und auch wenn die erforderliche Liebe und Einheit (muhabbet ve ittifaq) nicht spürbar sind, so gibt es doch hier, verglichen mit anderen Städten, keine ernst zu nehmenden Streitigkeiten und Konflikte.
** Mahnung: Die Gunst der Menschen kann man nicht einfordern, sie wird vielmehr gegeben. Wo sie gegeben wird, sollte man sich nicht in ihr gefallen. Gefällt man sich aber in ihr, so ist die Wahrhaftigkeit (ikhlas) verloren und die Heuchelei tritt an ihre Stelle. Wo der Wunsch nach Ruhm und Ansehen die Aufmerksamkeit eines Menschen beflügelt, so ist sie nicht Lohn noch Belohnung, sondern ein Schlag (ins Gesicht) und eine Strafe für seinen Mangel an Wahrhaftigkeit (ikhlas). Wem Menschen eine derartige Aufmerksamkeit zuwenden, Ehre und Ansehen, dessen Wahrhaftigkeit (ikhlas) verletzen sie, die Quelle der Vitalität zu allen guten Taten. Und selbst wenn sie dabei noch eine vorübergehende winzige Freude bis an den Rand des Grabes erlangen, so nimmt diese doch auf der anderen Seite des Grabes eine recht unschöne Gestalt an. Deshalb sollte man sich von den Menschen keine solche Aufmerksamkeit wünschen, vielmehr vor ihr zurückschrecken. Ja man sollte vor ihr fliehen!
Mögen denen, die öffentliches Ansehen suchen und solchem Ruhm und Ansehen hinterher laufen, die Ohren klingen!
*** Man sollte sich auch die »Tugend der Beschenkung« zu seinem Wegweiser (rehber) wählen, die der Qur’an an den Sahabis gelobt hat. Das heißt, sobald es gilt, ein Geschenk oder Almosen (Sadaqa) anzunehmen, sollte man sich selbst stets einen anderen vorziehen und statt sich für seinen Gottesdienst eine irdische Belohnung zu wünschen oder auch nur in seinem Herzen zu erwarten, wissend, dass dies einzig und allein eine Gnade (ihsan) Gottes ist, ohne dabei einem Menschen ein Gefühl der Verpflichtung aufzuladen oder eine Gegenleistung für seinen Gottesdienst anzunehmen. Denn man darf in dieser Welt für seinen Gottesdienst keine Gegenleistung erwarten, damit die Wahrhaftigkeit nicht entflieht.
Zwar hat man ein Recht darauf, dass die Gemeinde einen mit allem Lebensnotwendigen versorgt, ja sogar ein Recht auf Almosen (zekat). Doch darf man dies nicht einfordern. Es wird einem gegeben. Wem etwas gegeben wurde, der darf nicht sagen: »Dies ist der Lohn für meine Dienstleistung.« Soweit es möglich wäre, sollte man stets bescheiden anderen vor sich selbst den Vorzug geben, die bedürftiger sind. (Wer solcher Art) das Geheimnis der Ayah
وَ يُؤْثِرُونَ عَلَى اَنْفُسِهِمْ وَلَوْ كَانَ بِهِمْ خَصَاصَةٌ
»Und sie geben ihnen den Vorzug vor sich selbst, auch wenn sie selbst bedürftig wären.« (Sure 59, 9)
zum Ausdruck bringt, wird sich vor dieser schrecklichen Gefahr erretten und Wahrhaftigkeit gewinnen.
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