„Fünf Punkte“ zur Einführung in diesen Sammelband, der als eine Art arabisch verfasste ehrwürdige wohltemperierte (Mesnevî-i Serif) Risale-i Nur gilt.

Erster Punkt: „Weil der ‚Alte Said’ vor vierzig, fünfzig Jahren sich sehr viel mit Philosophie und Geisteswissenschaften beschäftigte, suchte er um des Wesens der wahren Erkenntnis willen seine Berufung ähnlich den Ordensleuten (Tarikat) und Grundlagenforschern. Aber es genügte ihm nicht, so wie die meisten Ordensleute, einzig den Eingebungen seines Herzens zu folgen. Denn sein Geist und Verstand waren bis zu einem gewissen Grade von der Weisheit der Philosophen her angekränkelt und Heilung tat not. Darum wollte er einigen Großen unter den Grundlagenforschern folgen, die sich auf der Suche nach der Wahrheit sowohl nach ihrem Herzen als auch nach ihrem Verstand richteten. Er schaute sich um und sah, dass jeder einzelne unter ihnen seine besonderen Eigenarten hatte, von denen  er sich angezogen fühlte. So blieb  er denn unschlüssig, welchem von ihnen er folgen solle. Da erhielt er durch Imam Rabbani den verborgenen Wink: „Tauhid sei deine Kible!“,  das heißt: „Folge nur einem einzigen Meister!“  Da kam es dem alten Said in das weitwunde Herz: Der wahre Meister ist der Qur’an. Tauhid-i Kible geschieht durch diesen Meister. So begann er unter der Rechtleitung (irschad) nur dieses heiligen Meisters sowohl mit dem Herzen als auch mit dem Verstand auf eine recht bemerkenswerte Weise den „Weg“ (suluk) zu gehen. Ein rastlos-ruheloser Geist (nefs-i emmare) zwang ihn dazu, sich innerlich wie wissenschaftlich durch Ungewissheit und Zweifel hindurchzukämpfen. Nicht mit geschlossenen Augen, sondern wie Imam Ghazali, Mevlana Celaleddin und Imam Rabbani die Augen des Herzens, Sinn und Verstand geöffnet, wandelte er dort, wo die Ekstatiker die Augen des Verstandes geschlossen haben, offenen Auges auf diesen  Stufen. Gott der Gerechte sei unendlich gelobt, dass er durch die Belehrung und Rechtleitung (irschad) des Qur’ans den Weg der Wahrheit gefunden hat. Denn der alte Said zeigte durch die Risale-i Nur des neuen, dass er zur Wahrheit des Wortes:

وَ فِى كُلِّ شَيْءٍ لَهُ آيَةٌ تَدُلُّ عَلَى اَنَّهُ وَاحِدٌ
„Jedes Ding trägt ein Zeichen, das die Einheit Gott beweist.“

gelangt war.
Zweiter Punkt: Hatte er wie Maulana Celaluddin, Imam Rabbani und Imam Ghazali versucht, Herz und Verstand miteinander in Einklang zu bringen, so versuchte er nun, vor allen Dingen Geist und Gemüt von den Wunden zu heilen und seiner Seele vor Irrtum und Einbildung Rettung zu verschaffen. Gott sei Lob, Preis und Dank, dass Er so den Alten Said in den Neuen Said verwandelt hat. Wie die Mesnevi, dessen Original persisch verfasst und später ins Türkische übersetzt wurde, so verfasste auch er gleich einer Art Mesnevi Abhandlungen „Qatre (Tropfen)“, “ Hubab (Wellen)“, „Habbe (Korn)“, „Zuhre (Morgenstern)“, „Zerre (Stäubchen)“, „Schemme (Spur)“, in arabischer sowie „Nokta (Punkt)“, und „Lemaat (Blitze)“ in türkischer Sprache, jede ganz kurz zusammengefasst. Fand er eine Möglichkeit dazu, ließ er sie auch drucken. Es war fast ein halbes Jahrhundert vergangen, seit seine Berufung in der  Risale-i Nur ihren Niederschlag gefunden hatte. Aber statt nur innerlich einen Kampf gegen sich selbst und den Teufel zu führen, wurde ihm die Risale-i Nur zu umfangreichen und allgemeinen Arten von Mesnevi, nach außen gerichtet gegen die Philosophen, die auf Irrwegen gehen und zum Wohle für diejenigen, welche ihrer bedürfen und noch unschlüssig sind.
Dritter Punkt: Der Neue Said hatte mit seinen Disputationen bereits seine Begierden und den Teufel (nefis ve seytan) vollständig besiegt und zum Schweigen gebracht; sowie nun auch die Risale-i Nur die verwundeten Schüler der Wahrheit in nur kurzer Zeit heilte, so bringt in gleicher Weise auch (diese Mesnevi) die Leute des Unglaubens und des Irrtums vollständig zum Schweigen und somit gilt dieser Sammelband eines Arabischen Mesnevi als eine Art Kern und Pflanzbeet der Risale-i Nur. Der Kampf dieses Bandes insbesondere gegen die Begierden im eigenen Inneren und den Teufel (nefis ve seytan) befreit vollständig von allen Zweifeln unserer eigenwilligen Seele (nefs-i emmare) und allen Teufeln in Dschinnen und Menschengestalt (seytan-i cinnî ve ins). Was aber die (uns hier vorliegende) Information (malûmat) betrifft, so gibt sie uns eine wissenschaftlich gesicherte (ilmelyakîn), eine augenscheinliche Sicherheit (aynelyakîn) im Grade einer solchen Sicherheit (itminan) und Überzeugung (kanaat), so als wären wir selbst als Zeugen (meshudat) mit dabei gewesen.
Vierter Punkt: Da der Alte Said mit sehr tiefsinnigen Fragen zu den Lehren über Weisheit und Wahrheit (ilm-i hikmet ve hakikat) beschäftigt war, mit großen Gelehrten (ulema) über solch tiefsinnige Fragen disputierte, und entsprechend dem Grade des Verständnisses seiner alten Schüler schrieb, welche an ihrer Medresse bereits einen Hochschulunterricht genossen hatten, und da der Alte Said diesen Sammelband entsprechend dem, was sich in ihm in seinen Gedanken und in seinem Herzen (qalb) entfaltete, nur so schrieb, wie er es selbst verstand, und zwar in ganz besonders kurzen Sätzen und ebenso kurz gefassten Ausdrücken, mit Hinweisen, die nur in kurzen Worten langatmige Wahrheiten (hakikat) wiedergaben, weshalb selbst noch scharfsinnige Gelehrte (alim) einen Teil davon nur noch schwer verstehen können. Hätte er diese Dinge statt dessen ausführlich erläutert, hätte er damit eine bedeutende Aufgabe der Risale-i Nur vorweg genommen. Mit anderen Worten:
Diese Mesnevi wurde zu einem Pflanzenbeet, das wie die Turuk-u hafiye (still und leise) ins Innere der eigenen Seele hineinwirkt. Ihr gelang es, im Inneren von Geist und Gemüt einen Weg aufzutun.
Aus der Mesnevi wurde die Risale-i Nur, aus dem Pflanzenbeet ein Garten, mit dem Blick sowohl ins Reich der Seele, als auch, wie bei den meisten Richtungen der Turuk-u cehriye, zum Horizont eines äußeren Kreises und öffnete (mit großer Begeisterung) überall einen breiten Weg zur Erkenntnis Gottes. Gleich Moses, mit dem der Friede sei, mit seinem Stabe, schlug diese Mesnevi überall Wasser aus dem Felsen.
Der Geist, den diese Risale-i Nur atmet, folgt nicht der Methode der Weisen und Gelehrten, sondern öffnet durch ein verborgenes Wunder des Qur’ans in allen Dingen ein Fenster zur Erkenntnis. Er hat das Geheimnis, welches dem Qur’an zu eigen ist, so erfasst, dass er die Arbeit eines Jahres in einer Stunde bewältigen könnte. Deshalb wurde er auch in dieser fürchterlichen Zeit in zahllosen Angriffen der Unbelehrbaren niemals besiegt, sondern hat sie selbst besiegt!
Fünfter Punkt: In einer Zeit, in der der Alte Said sich in den Neuen Said verwandelte, hat er, obwohl doch Tausende von Wahrheiten innerhalb hunderterlei Wissensbereiche es wert wären, jede für sich allein Thema für eine Abhandlung zu sein, dennoch jede Wahrheit, die so wichtig war eine ganze Abhandlung zu umfassen, als dieser Said sie verfasste, sie am Anfang eines jeden Themas in ein paar Zeilen, manchmal auf einer Seite und manchmal in ein, zwei Absätzen erwähnt und sie mit dem Ausruf: „Wisse!“ (i’lem) versehen. Damit wurde ein jeder Ausruf: „Wisse!“ sozusagen zur Chiffre einer Abhandlung.
Des weiteren beziehen sich diese, mit dem Ausruf: „Wisse!“ gekennzeichneten Absätze nicht auf einander und wurden wie ein Inhaltsverzeichnis verschiedener Wissensbereiche und Wahrhheiten (hakikat) aufgelistet, weswegen diejenigen, die diesen Band lesen, diese fünf Punkte dabei im Gedächtnis behalten und diese (sehr persönlich gehaltenen Notizen (nicht kritisieren sollten.

Said Nursî

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Harmonie des Lichtes – Kommentare zum Qur´an von Bediüzzaman Said Nursi aus dem Risale-i Nur Gesamtwerk