بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمٰنِ الرَّحِيمِ

يَا اَيُّهَا النَّاسُ اعْبُدُوا

»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen; Oh Ihr Menschen, betet (Gott) an und dienet (Ihm)!« (Sure 2, 19)

Möchtest du verstehen, was Anbetung und Gottesdienst bedeutet, welche Glückseligkeit in ihm liegt und welch großartiger Handel mit ihm verbunden ist, was für ein großer Verlust und welch ein Unglück dagegen Sünde und Ausschweifungen nach sich ziehen, dann betrachte und höre das folgende Gleichnis!…
Eines Tages erhielten zwei Soldaten den Befehl, eine weit entfernte Stadt aufzusuchen. Sie machten sich miteinander auf den Weg, bis sie an eine Gabelung kamen. Dort weilte ein Mann, der zu ihnen sprach: »Wer den rechten Weg einschlägt, wird keinen Schaden erleiden. Neun von zehn Reisenden erlangen auf diesem Weg Nutzen und Bequemlichkeit. Was aber den linken Weg betrifft, so führt er zu keinem Gewinn und neun von zehn, die auf ihm reisen, tragen Schaden davon. Doch keiner von den beiden Wegen ist länger oder kürzer als der andere. Es gibt zwischen ihnen nur den einen Unterschied; der linke Weg ist unbewacht und wird nicht instand gehalten. Wer diesen Weg wählt, reist ohne Gepäck und Waffen. Darin liegt eine Erleichterung und trügerische Bequemlichkeit. Was aber den Reisenden betrifft, der unter militärischem Schutz auf dem rechten Weg reist, so muss er vier Okka (etwa 5 kg) Gepäck, bestehend aus einer eisernen Ration und eine zwei Okka schwere Wunderwaffe aus dem Zeughaus mit sich tragen, die jeden Feind zu besiegen und zu überwinden vermag.«
Nachdem die beiden Soldaten des Mannes Weisung vernommen hatten, entschied sich der eine von den beiden zu seinem Glück für den rechten Weg. Er verteilte seine sechs Okka (= 1 Batman) Gepäck auf Rücken und Schultern. Aber Geist und Seele blieben ihm vor tausenden Batman geschuldetem Dank (für Dienstleistungen), und vor ebenso vielen Ängsten bewahrt.
Der andere aber unterließ es zu seinem Unglück, in den Dienst zu treten. Er wollte sich nicht an die Vorschriften halten. Er schlug den linken Weg ein. So verschonte er zwar seinen Körper vor einem Batman Gepäck, doch sein Herz wurde mit tausenden Batman Dankesverpflichtungen belastet und seine Seele (ruh) von unzähligen Ängsten bedrückt. Er musste bei jedermann betteln gehen; jedes Ding versetzte ihn in Angst und jedes Ereignis ließ ihn erzittern. Endlich gelangte er an den Ort seiner Bestimmung. Dort bekam er seine Strafe als ein Rebell und Fahnenflüchtiger.
Was den Soldaten betraf, der seine Anordnungen freudig erfüllte, auf sein Gepäck und seine Waffe Acht gab und den rechten Weg eingeschlagen hatte, so marschierte er mit ruhigem Gewissen und leichtem Sinn, ohne jemandem Dank zu schulden und ohne sich vor jemandem zu fürchten. Endlich gelangte er an den befohlenen Ort. Dort erhielt er als ein Soldat, der seinen Auftrag bestens ausgeführt hatte, seinen verdienten Lohn.
Oh du selbstsüchtige Seele! Wisse: der eine der beiden Reisenden steht für die Menschen, die dem göttlichen Gesetz gehorchen, der andere aber für diejenigen, welche dagegen rebellieren und nur ihren Gelüsten folgen. Was aber den Weg betrifft, so ist er das Leben, das aus der Welt der Seelen heraus durch das Grab ins Jenseits führt. Gepäck und Waffe sind Anbetung, Gottesdienst und Rechtschaffenheit*. Wenn auch der Gottesdienst** zunächst äußerlich einige Schwierigkeiten bereitet, so bringt er doch in seiner tieferen Bedeutung eine unbeschreibliche Befriedigung und Erleichterung. Darum spricht der Diener Gottes in seinem Gebet:

اَشْهَدُ اَنْ لاَ اِلهَ اِلاَّ اللّٰهُ

»Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah.«

Das heißt: »Er ist der Schöpfer und Erhalter, neben dem es keinen anderen gibt. Verlust und Gewinn, Schaden und Nutzen liegen in Seiner Hand. Außerdem ist Er der Allweise. Etwas Unsinniges tut Er nicht. Zudem ist Er der Allerbarmer. Sein sind Güte und Erbarmen in Fülle.« Wer so spricht und in dieser Weise glaubt, erkennt in einem jeden Ding das Tor zur Schatzkammer des Erbarmens. Er pocht daran mit dem Gebet. Und noch weiter sieht er alle Dinge im Dienste seines Herrn. So nimmt er Zuflucht zu seinem Herrn. Sein Vertrauen auf Gott ist ihm eine Stütze. Bei Ihm findet er gegen ein jedes Übel eine feste Burg. Sein Glaube verleiht ihm eine völlige Sicherheit.
In Wahrheit ist die Quelle jedes wirklich guten Werkes wie auch des Mutes, der Glaube und die Gottverbundenheit; wie auch aller Bosheit und jeder Feigheit Quelle die Verirrung ist!
In der Tat; es ist möglich, dass ein Diener Gottes mit erleuchtetem Herzen sich nicht fürchtet, sollte auch die Welt selbst zu einer Bombe werden, die explodiert. Ja, er wird sogar die wunderbare Macht des Einzigartigen, Unvergleichlichen mit freudigem Erstaunen bewundern. Ein berühmter Philosoph aber, ein Freidenker ohne Herz und Gemüt, den man noch dazu eine Leuchte der Vernunft nennt, beginnt schon hier auf der Erde zu zittern, wenn droben am Himmel ein Komet erscheint. »Wird dieser Irrstern etwa mit unserer Erde zusammenstoßen?« so fragt er, und gerät in Panik. (So zitterte Amerika einmal vor einem Kometen. Viele verließen zur Nachtzeit ihre Häuser.)
Tatsächlich benötigt der Mensch unendlich viele verschiedene Dinge. Doch sein Vermögen gleicht einem Nichts… Zudem wird er noch von unzähligen Übeln geplagt. Doch ist auch hier sein Vermögen so gut wie gar keines… Der Rahmen seines Vermögens und das Umfeld seines Könnens reicht so weit wie sein ausgestreckter Arm. Was aber seine Hoffnungen und Sehnsüchte, Schmerzen und Leiden betrifft, so ist ihr Umfeld so weit wie das Auge reicht und wächst mit seinen Träumen noch darüber hinaus. Des Menschen Seele (ruh), die doch in einem solchen Grade schwach, armselig und hilfsbedürftig ist, bedarf der Gottesanbetung (ibadet), des Gottvertrauens (tevekkül), der göttlichen Einheit (tauhid) und der Ergebenheit (teslim). Wer nicht gerade mit Blindheit geschlagen ist, sieht und begreift, welch gewaltiger Gewinn, welche Glückseligkeit und was für eine Gnade darin enthalten ist. Es ist ja bekannt, dass ein ungefährlicher Weg einem gefährlichen Weg auch dann vorgezogen wird, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung dabei eins zu zehn beträgt. Und dabei ist der hier zur Diskussion stehende Weg der Gottverbundenheit nicht nur ungefährlich, sondern führt noch dazu in neun von zehn Fällen zur Schatzkammer der ewigen Seligkeit. Was dagegen den Weg der Missachtung, der Auflehnung und der Ausschweifung betrifft, so ist er sogar nach dem Eingeständnis der Sünder (fasik) ein Weg ohne Gewinn, der auch noch in neun von zehn Fällen in das Verderben einer ewigen Qual führt. Dies steht nach allgemeiner Übereinstimmung fest, auf Grund unwiderlegbarer Beweise und der Zeugnisse der Gelehrten und Gebildeten, der Theologen und Geistlichen und all derer, die einen Sinn für die Wahrheit haben und sie zu schauen vermögen.
Kurz gesagt: Ein glückliches Leben in dieser wie in jener Welt liegt darin, Allah ein Verehrer und ein Diener zu sein und sich zum Streiter Gottes zu machen. Weil dies aber so ist, müssen wir uns immer zu Ihm bekennen

اَلْحَمْدُ لِلّٰهِ عَلَى الطَّاعَةِ وَالتَّوْفِيقِ

 

»Lobpreis und Dank sei Allah für Durchführung, Erfüllung und Erfolg.«

und dafür danken, dass wir Muslime (Gläubige) sind.

 


* Wachsamkeit gegenüber den Sünden. (A.d.Ü.)
** Die Einhaltung der fünf täglichen Gebetszeiten usw. (A.d.Ü.)

 

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Worte – Kommentare zum Qur´an von Bediüzzaman Said Nursi aus dem Risale-i Nur Gesamtwerk

Kleine Worte – aus dem Risale-i Nur Gesamtwerk/Worte